UNSER CAMPING-ALLTAG

Schon oft wurden wir gefragt, wie so ein normaler Tag auf Reisen eigentlich aussieht. Tats?chlich h?tten wir diese Frage drei Monate nach unserem Start nicht beantworten k?nnen. Weil wir uns mit H?nden und Fü?en gegen jenen minuti?s berechenbaren Wochen- und Tagesablauf gewehrt haben, der uns im alten Leben so auf die Nerven ging. Wir haben lange gebraucht, um einzusehen, dass es jedoch sehr viel besser ist, wenn wir die Karten nicht jeden Tag aufs Neue mischen.
Auf Reisen gleicht zwar selten eine Woche der anderen und wir sind froh, dass wir – im Gegensatz zu früher – keine Ahnung haben, was wir n?chsten, übern?chsten oder gar überübern?chsten Dienstag um 15.43 Uhr tun werden, aber wir mussten uns im Laufe der letzten Monate einfach eingestehen, dass Routine nicht unser Feind, sondern Freund ist und wir ohne sie nicht viel zustande bringen. Darum haben wir – wenn auch anfangs z?hneknirschend – einige Abl?ufe und Regeln etabliert, die uns und vor allem den Kindern Orientierung geben. Das macht die gro?e Reise unterm Strich natürlich ein bisschen weniger abenteuerlich, unser Familienleben auf lange Sicht dafür sehr viel harmonischer und unkomplizierter. Wir wissen das so genau, weil wir seit Juni unterschiedliche Modelle ausprobiert haben und nun ganz sicher sind, womit wir am besten fahren.?
Vieles braucht mehr Zeit
Allgemein kann man schon mal zusammenfassen, dass beim Camping eigentlich triviale Dinge sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Abwaschen zum Beispiel, weil man das Geschirr teilweise 500 Meter über den Platz zum Abwasch-Becken tr?gt und von Hand w?scht statt alles vom Tisch direkt in einer gro?en Maschine zu verstauen.
Oder auch Kochen, weil gerade in Spanien manchmal mehr als eine Herdplatte die Stromversorgung in die Knie zwingt. Da kann es bei manchen Gerichten schon mal l?nger dauern.
Oder W?sche waschen, weil man erst diese kleinen Münzen bei der Rezeption am anderen Ende des Platzes kaufen muss, um die Waschmaschine zum Laufen zu bringen.
So teilen wir unsere Tage ein
Wir finanzieren unsere Reise über unsere Arbeit als Selbstst?ndige. Das bedeutet, wir k?nnen jederzeit und überall mit unserem Laptop dafür sorgen, dass der Kühlschrank voll und das Auto getankt ist. Das bedeutet aber natürlich auch, dass wir unsere Reise nicht vollst?ndig im Urlaubsmodus erleben. Allgemein unterteilen wir unseren Alltag und die Woche in Arbeitstage, also jene normalen Tage, an denen ein Erwachsener arbeitet und der andere die Zeit mit den Kindern verbringt und Freizeittage, die wir alle zusammen verbringen und dabei in der Regel etwas unternehmen.
Bei uns reichen seit Beginn unserer Reise drei Arbeitstage pro Woche, an denen einer arbeitet, die restlichen vier Tage sind Familienzeit. Das ist ein – wie wir finden – gro?artiges Verh?ltnis und funktioniert, weil unsere Lebenshaltungskosten deutlich niedriger sind als früher und vor allem Micha als Informatiker im Bereich Künstliche Intelligenz seine Arbeit am Laptop zeitlich superflexibel einteilen kann und nicht zuletzt gut verdient. Zudem macht ihm seine Arbeit als Freelancer für seinen früheren Arbeitgeber auch noch wahnsinnig viel Spa?. Aus diesem Grund arbeiten seit November auch nicht mehr wir beide, sondern haupts?chlich er.
An Freizeittagen l?uft es nach dem Schulteil anders, an Arbeitstagen in etwa so:
Aufstehen

Für uns definitiv die sch?nste Zeit des Tages. Weil wir unsere Kinder nicht mehr wie früher 6.30 Uhr aus dem Tiefschlaf holen müssen und weil wir in diesem neuen Leben ganz viel Zeit haben, um gemeinsam in den Tag zu starten.
In den w?rmeren Monaten sind wir Erwachsenen in der Regel 7 Uhr aufgestanden und haben mit einem ersten Kaffee vor unserem Wohnwagen schon ca. zwei Stunden arbeiten k?nnen. Die Kinder sind im Sommer in der Regel nie vor neun Uhr aufgewacht. Je nach Ort und Wetter war für uns Erwachsene dann auch eine erste Runde Schwimmen im Meer oder Sport dabei.
Nun hat auch uns mittlerweile der Winter erreicht und die Temperaturen in Spanien liegen am frühen Morgen bei ca. 8 Grad. Im Vorzelt oder Meer m?chte man da nur ungern sitzen, also bleiben wir drinnen und nehmen es mit der Uhrzeit nicht mehr so genau. Derzeit schlafen wir alle in unserem gro?en Familienbett mit integriertem Doppelstockbett bis ca. 8 Uhr. Dann wird ausgiebig gekuschelt und seitdem Nacho bei uns ist, geht anschlie?end einer von uns Gro?en erst einmal eine Runde mit dem Hund.
Frühstück

Im Anschluss wird an unserer gemütlichen Sitzecke gefrühstückt, wir h?ren Musik, planen den Tag und quatschen. Wie bei jeder anderen Familie auch – aber nicht die Frühstücke vor Schule und Kindergarten, sondern die am Wochenende. Es vergeht kein Morgen, an dem wir dieses Privileg nicht zu sch?tzen wissen. Weil wir uns noch gut an uns als grummelige Müsli-Zombies von früher erinnern k?nnen. Eigentlich ist man zu müde zum essen, aber dann ist es eben auch die einzige gemeinsame Zeit in Familie bis zum Abendessen. Also macht man im Halbschlaf und unter ordentlich Zeitdruck das Beste draus.
Schule

Auch hier haben wir bereits mehrere Phasen hinter uns. Nicht, weil wir uns nicht entscheiden konnten, sondern weil wir gesehen haben, wie immens die Kinder in ihrem Alltag auf Reisen auch ohne unsere Unterstützung dazulernen. Also haben wir es zum Beispiel einige Wochen toleriert, dass die beiden nach dem Frühstück keine Aufgaben am Tisch l?sen, sondern stattdessen mit Freunden vom Campingplatz zu neuen Abenteuern aufbrachen. Da wurden bis zum Mittagessen Terrarien gebaut, Steine umgedreht, Schnitzeljagden entwickelt. Comics gezeichnet, Skateboard-Tricks geübt, Filme gedreht, Englisch und Spanisch gesprochen, Tiere beobachtet, Avocados gepflückt und überhaupt so viele sinnvolle Zeit miteinander verbracht, dass es sich immer richtig anfühlte, sie entdecken statt pauken zu lassen. Diesen Zustand hatten wir zum Beispiel etliche Wochen in Kroatien oder Andalusien.
Wenn keine anderen Kinder nebenan wohnen – und das kam und kommt natürlich auch h?ufig vor – lernen die Kinder mit uns. Anfangs hatten wir eine lange Projektphase, in der wir gemeinsam mit den Kindern mit viel Material und Vorbereitung eine Woche lang bestimmte Themen beackerten. Das war zwar für alle lehrreich und effektiv, mittlerweile haben wir das in der Form aber aufgegeben und gegen Deutsch und Mathe eingetauscht. Weil die Kinder st?ndig über spezielle Themen lernen (dank Ausflüge, Museen, Sehenswürdigkeiten etc.), weil der Aufwand für uns Berufst?tige ordentlich war und weil Mathe und Deutsch nun mal die beiden F?cher sind, nach denen unser Schulkind Len und Vorschulkind Pauline eines Tages wieder eigesch?tzt und eingestuft werden.
Darum wird nach dem Frühstück abger?umt, die Schlafanzüge dürfen angelassen werden und wir machen am gleichen Tisch Schule. Micha setzt sich in der Zeit an seine Arbeit. Da unsere Oma über 40 Jahre als Grundschullehrerin gearbeitet hat, sind wir bestens mit Schulmaterialien versorgt. Ein bis zwei Stunden schaffen wir in der Regel. Pauline bekommt Vorschulmaterial, Len den Stoff der dritten Klasse, in der er gerade w?re. ?berraschend für alle klappt es richtig gut. Wahrscheinlich, weil wir alle ein gutes Gefühl dabei haben, trotz Auszeit auf dem Laufenden zu bleiben. Und weil vor allem unser Len gern gefordert wird. Wenn zum Beispiel nach jedem gel?sten Matheabschnitt ein Sticker ins Heft geklebt werden darf, gibt er vorher nicht auf und ist danach stolz wie Bolle. Und Muddi auch. ?
Mittag

Nach der Schule, das ist dann meist schon gegen 11/11.30, geht’s ab ins Waschh?uschen und danach spielen die Kinder bis zum Mittagessen. Je nachdem, wo wir sind, hei?t das Spielplatz, Kletterbaum, Skateboard und Rollerfahren, mit dem Hund rennen, Strand oder bei schlechtem Wetter Basteln, Lesen (also Len) oder Lego in Wohnwagen oder Vorzelt. Der nicht arbeitende Elternteil geht in der Zeit abwaschen, r?umt auf und bereitet das Mittagessen vor, das wir dann alle gemeinsam meist gegen 13/13.30 Uhr schnabulieren.
Nach dem Essen wird abgewaschen (je nach Campingplatz von den Kindern), einer geht mit dem Hundi und danach gibt’s eine Mittagspause. Die haben wir schon in den Sommermonaten etabliert, um die Kinder aus der Sonne zu holen und bis heute ist sie Teil der normalen Tage. Pauline guckt in der Regel eine Stunde in ihrer Lieblingsserie Hundedetektiven bei der Arbeit zu, w?hrend Len ans Tablet darf und dort Dinos dressiert. Die Erwachsenen arbeiten in der Zeit bzw. erledigen, was gerade ansteht.

Nachmittag

Nach der Mittagspause hat sich ein kleines Kaffeekr?nzchen eingefahren. Da gibt’s dann meist frisches Obst oder Kekse und im Anschluss geht’s auf Wanderschaft mit Nacho. Auch hier variiert die weitere Tagesgestaltung wieder je nach Ort. Momentan haben wir ein beheiztes Schwimmbad auf dem Campingplatz und wunderbare Wanderwege direkt am Gel?nde. An unserer letzten Station haben wir uns am Nachmittag meist mit anderen Familien zum Spielen und Quatschen getroffen, im Sommer wurde bis in die Abendstunden getaucht und geschwommen. Auf jeden Fall ist der Nachmittag immer der aktivste Teil des Tages.
Abend

Der spanische Winter ist angenehm von ca. 10 bis 17.30 Uhr. Davor und danach gehen die Temperaturen in den Keller und man m?chte eigentlich nur noch rein. Was ja auch v?llig okay ist im Januar. Meist kochen wir abends und genie?en es dann, im gemütlichen Wohnwagen zusammen zu essen. Dann wird wieder Chaos beseitigt, abgewaschen und je nach Ort und Wetter im Vorzelt oder drinnen gequatscht, gespielt, mit anderen getroffen, manchmal wird noch weitergearbeitet, Ukulele geübt, gelesen, unter der Woche dürfen die Kinder manchmal etwas schauen, was sie schlau macht (Checker Tobi, L?wenzahn, Dokumentationen o.?.) und am Wochenende gibt’s auch mal einen gemeinsamen Kinoabend – wenn es das ?rtliche Internet zul?sst. Alles endet in einer letzten Runde mit dem Hund und derzeit gehen wir in der Regel alle gemeinsam gegen 22/ 22.30 Uhr schlafen. Auch dieser Moment ist jeden Abend wundervoll. Weil wir uns alle dann sehr nah sind, jeder nach der vielen frischen Luft richtig müde ist, der Tag in der Regel sch?n war und unser Wohnwagen wie so eine kleine H?hle ist, in der wir uns vor allem dann pudelwohl, sicher und Zuhause fühlen.
Vielleicht war das ein bisschen heilsam für jene, die uns manchmal schreiben, wenn ihre Woche mal wieder so richtig eint?nig war. ?Aber ob nun Frankfurt oder Frankreich – der schn?de Alltag, die dreckige W?sche, die vermaledeite Frage „Was essen wir heute?“ oder das Kind, das sich nicht k?mmen lassen will, obwohl man doch eigentlich los m?chte, sind auch in unserer Welt treue Begleiter. Und irgendwie ist das ja auch gut so. ?